Etwa fünf Monate dauert ein Anti-Gewalt-Training, das Richter jugendlichen Straftätern häufig zur Bewährungsauflage machen. Dafür kommen sie nach Arnstadt in ein neugegründetes Förderzentrum.
ARNSTADT. Das Gebäude ist nicht neu, das Anliegen auch nicht. Bisher hieß es „Projekt Do – Weg ohne Gewalt“. Das gibt es jetzt nicht mehr, stattdessen wurde zum Jahreswechsel das „Förderzentrum für Gewaltprävention, Resozialisierung und Konfliktmanagement“ gegründet. Ein sperriger Name, der aber das Anliegen deutlich machen soll, das der neue e. V. verfolgt. Zuvor war es Teil der Arbeit des Karatevereins, dessen Domizil in den Räumen in der Krappgartenstraße 10 (direkt neben dem Schulgebäude) bleibt. Doch er hat die Erfahrung gemacht, so erklärt Carsten Schnieke, dass ein eigener Trägerverein anders agieren kann. Und dass sich manche Missverständnisse – Unwissende setzen Karate mit Angriff gleich – vermeiden lassen.
Der 45-Jährige ist langjähriger Vorsitzender des Karatevereins und Leiter des neuen Förderzentrums. Und er ist als einziger vom Verein fest angestellt. Als zertifizierter Anti-Gewalt- und Deeskalations-Trainer bringt er die nötige Ausbildung und jahrelange Erfahrung mit.
Der gemeinnützige Verein bündelt bisher einzeln laufende Aktivitäten: So betreut er junge Straftäter, die in Ichtershausen bzw. der Außenstelle Weimar eine Haftstrafe verbüßen. Von außen kann man anders helfen, dass die Jugendlichen eine Bleibe und Arbeit haben, wenn sie wieder raus kommen, schildert Bianca Holstein. Sie weiß, wovon sie spricht. Die 36-Jährige ist Sozialarbeiterin in der Jugendstrafanstalt und außerdem Vorsitzende des neuen Vereins, in dem sich berufliches und ehrenamtliches Engagement treffen.
Das Förderzentrum bietet als zweiten Schwerpunkt seiner Arbeit für die Region zwischen Erfurt und Suhl Kurse zur Gewaltvermeidung sowie Anti-Gewalt-Training (AGT) an. Zum einen geht es um Aufklären, wie sich Gewalt im Alltag verhindern lässt, aber auch um die praktische Umsetzung. So sollen junge Menschen lernen, Fäuste oder Messer in der Tasche zu lassen. Dafür werden sie beim AGT mit Gewalt konfrontiert, erleben Situationen aus der Opferrolle, werden provoziert, blamieren sich. Es heißt: aushalten und durchhalten. Viele liegen zum ersten Mal selbst am Boden. Das geht bis an die physischen und psychischen Grenzen – für beide Seiten.
So ein AGT-Programm umfasst 120 Stunden und dauert fünf Monate. „Wir brauchen etwa 20 Stunden, um sie dazu zu bringen, dass sie miteinander arbeiten“, so die Erfahrung von Carsten Schnieke. Bei den „Sitzungen“ hat er in der Regel Bianca Holstein an seiner Seite. Dabei geht es nicht nur darum, dass die jungen Straftäter – fast ausschließlich junge Männer ab 16, selten über 30 – Empathie entwickeln, also die Fähigkeit, sich in den anderen hineinzuversetzen. Sie sollen auch ihr Selbstwertgefühl stärken. Das ist schwer. Ein großer Teil kommt aus sozial benachteiligtem Milieu, ist mit Gewalterfahrungen groß geworden. Alkohol und Drogen gehören zum Alltag.
Wer sich erst wieder an einen geregelten Tagesablauf und eine neue Aufgabe gewöhnen muss, für den bietet das Förderzentrum Kurse zum sozialen Kompetenztraining an. Teilnehmer sind Langzeitarbeitslose, die die Arge Ilmkreis schickt. Sie werden u. a. bei der Reinigung von Spielplätzen eingesetzt, außerdem gibt es in der Krappgartenstraße 10 eine kleine Werkstatt für Holzarbeiten.
Neben der Arge sind Sucht- und Schuldnerberatungsstellen sowie die Justiz wichtige Partner. Im Rahmen seiner Präventionsarbeit bietet der Verein ebenso Schulen sowie Kinder- und Jugendbegegnungsstätten Trainingskurse an, damit Mädchen und Jungen den gewaltfreien Umgang miteinander üben können. Außerdem versteht sich die Einrichtung als Beratungsstelle für Ratsuchende, zum Beispiel nach Gewalterfahrungen. „Wir sehen uns als Netzwerkstelle“, betont Bianca Holstein. Montag bis Freitag von 7.30 bis 13.30 Uhr sei in der Regel jemand erreichbar.
Trotz verschiedener Fördertöpfe ist die Finanzierung des Förderzentrums ein Balanceakt. Zwar stellt der Landkreis das Gebäude mietfrei zur Verfügung, aber ansonsten ist man auf Projektförderung und Sponsoren angewiesen. Bisher gab es erst zwei Zuweisungen von Bußgeldern. Aber das dürfte sich mit steigender Bekanntheit ändern.
Kontakt: Tel. 036 28/58 70 12
04.02.2009 Von Antje KÖHLER